Urzeitlich-biblische Chronologie

Prof. William Henry Green

Die Frage, ob es möglich ist, die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschung bezüglich des Alters der Menschheit und des Alters der Welt mit der biblischen Chronologie in Einklang zu bringen, wurde lange und ernsthaft diskutiert. Einerseits haben Naturwissenschaftler der göttlichen Autorität der Bibel misstraut, indem sie sie für mit der Naturwissenschaft unvereinbar hielten; und andererseits betrachten diejenigen, die an das göttliche Wort glauben, die Untersuchungen der Naturwissenschaft argwöhnisch, als wären sie dem religiösen Glauben feindlich gesinnt. In meiner Antwort an Bischof Colenso im Jahr 1863 hatte ich Gelegenheit, die Methode und Struktur der biblischen Geschlechtsregister zu prüfen, und brachte dabei den Gedanken vor, dass darin auch die Lösung der ganzen Angelegenheit liegt.

Vor diesem Artikel 1 schrieb ich damals:2

»In einer Zeitberechnung, die auf Geschlechtsregistern beruht, wie es bei der heiligen Chronologie weitgehend der Fall ist, liegt eine gewisse Unsicherheit. Wer kann uns bestätigen, dass die vorsintflutlichen und vor-abrahamitischen Geschlechtsregister nicht in der gleichen Weise komprimiert wurden wie die nach-abrahamitischen? … Unsere derzeitige Chronologie basiert auf dem Eindruck, den diese Geschlechtsregister auf den ersten Blick erwecken. … Aber wenn diese vor kurzem entdeckten Hinweise auf das Alter der Menschheit, über die naturwissenschaftliche Kreise jetzt so aufgeregt sind, nach sorgfältiger Prüfung und gründlicher Abwägung all das beweisen sollten, von dem man denkt, dass sie es beweisen könnten, was dann? Sie werden einfach zeigen, dass die gängige Chronologie auf einer falschen Interpretation basiert und dass eine ausgewählte und unvollständige Auflistung der vor-abrahamitischen Namen fälschlich für eine vollständige gehalten wurde.«

Weitere Überlegungen haben mir die Korrektheit der damals geäußerten Meinung bestätigt.

Auf die freundliche Anfrage der Redaktion der Bibliotheca Sacra wiederhole ich hier, mit ein paar sprachlichen Veränderungen, die oben erwähnte Diskussion über die biblischen Geschlechtsregister und füge noch einige weitere Überlegungen hinzu, die für mich die Annahme zu rechtfertigen scheinen, dass die Geschlechtsregister in 1. Mose Kapitel 5 und 11 nicht für die Erstellung einer Chronologie vorgesehen waren und dazu auch nicht geeignet sind.

Geschlechtsregister wurden häufig abgekürzt

Es ist kaum nötig für jemanden, dem die Geschlechtsregister der Bibel auch nur oberflächlich bekannt sind, den Nachweis zu erbringen, dass diese häufig durch die Auslassung von unwichtigen Namen abgekürzt wurden. Tatsächlich ist die Verkürzung die allgemeine Regel, die von den heiligen Schreibern eingeführt wurde, um die Seiten nicht mit mehr Namen zu füllen, als für ihren unmittelbaren Zweck erforderlich war. Das ist so durchgängig der Fall und der Grund dafür ist so offensichtlich, dass wenn Verkürzungen auftreten, das nirgendwo eine Überraschung darzustellen braucht, und wir haben die Freiheit von einer Verkürzung auszugehen, wann immer bei einem Fall irgendwelche Umstände diese Annahme nahelegen.

Die Auslassungen in dem Geschlechtsregister unseres Herrn, wie es in Matthäus 1 wiedergegeben wird, sind allen bekannt. So sind in Vers 8 drei Namen zwischen Joram und Usija ausgelassen, nämlich Ahasja (2. Könige 8,25), Joasch (2. Könige 12,1) und Amazja (2. Könige 14,1), und in Vers 11 ist Jojakim nach Josia weggelassen (2. Könige 23,34; 1. Chronik 3,16); und in Vers 1 wird das gesamte Geschlechtsregister in zwei Schritten zusammengefasst: »Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams«.

Andere Belegstellen sind anderswo zahlreich vorhanden; wir nennen nur einige der auffälligsten. In 1. Chr 26,24 lesen wir in einer Liste von Ernennungen, die König David vorgenommen hatte (vgl. 1. Chr 24,3; 25,1; 26,26), dass Schubaël3, der Sohn Gerschoms, des Sohnes des Mose, Oberaufseher über die Schätze war, und wieder in 1. Chr 23,15-16 finden wir geschrieben: »Die Söhne Moses: Gerschom und Eliëser. Die Söhne Gerschoms: Schebuël4, das Oberhaupt.« Nun ist es absurd anzunehmen, dass der Verfasser der Chronik so extrem unwissend war, dass er annahm, der Enkel von Mose könnte in der Regierungszeit Davids gelebt haben und von ihm in ein verantwortungsvolles Amt eingesetzt worden sein. Im gleichen Zusammenhang (1. Chr 26,31) lesen wir wieder: »Von den Hebronitern war Jerija das Oberhaupt«, und dieser Jerija war, nach 23,19, der erste der Söhne Hebrons, und Hebron war der Sohn Kehats (Vers 12), des Sohnes Levis (V. 6). Sodass, wenn keine Kontraktion im Geschlechtsregister zugelassen wäre, der Ur-Enkel von Levi ein bedeutendes Amt in der Regierungszeit Davids bekleidete.

Das Geschlechtsregister Esras ist in dem Buch, das seinen Namen trägt, aufgezeichnet; aber wir wissen aus einer anderen Stelle, in der die gleiche Abstammungslinie aufgezeichnet ist, dass sie durch den Wegfall von sechs aufeinanderfolgenden Namen gekürzt wurde. Dies wird durch den Vergleich unten deutlich.

Weiterhin berichtet Esra (8,1-2): »Und dies sind die Familienoberhäupter mit ihren Geschlechtsregistern, die unter der Regierung des Königs Artahsasta mit mir aus Babel heraufzogen. Von den Söhnen Pinhas: Gerschom; von den Söhnen Itamar: Daniel; von den Söhnen David: Hattusch«.

Wenn keine Verkürzung des Geschlechtsregisters erlaubt wäre, müssten hier ein Urenkel und ein Enkel von Aaron und ein Sohn Davids nach der Gefangenschaft mit Esra aus Babel heraufgekommen sein.

Nr. 1. Chronik 5,29-40 Esra 7,1-5
1. Aaron Aaron
2. Eleasar Eleasar
3. Pinhas Pinhas
4. Abischua Abischua
5. Bukki Bukki
6. Usi Usi
7. Serachja Serachja
8. Merajot Merajot
9. Amarja I
10. Ahitub I
11. Zadok SECHS Namen bei Esra ausgelassen
12. Ahimaaz (V.38) I
13. Asarja I
14. Johanan I
15. Asarja Asarja
16. Amarja Amarja
17. Ahitub Ahitub
18. Zadok Zadok
19. Schallum Schallum
20. Hilkija Hilkija
21. Asarja Asarja
22. Seraja Seraja
Esra
Verschiedene Verwandtschaftsverhältnisse werden unter demselben Begriff zusammengefasst

Diese Neigung, die Geschlechtsregister abzukürzen, indem alles, was für den unmittelbaren Zweck des Schreibers unwesentlich ist, weggelassen wird, zeigt sich bei noch viel auffälligeren Kürzungen als die, die wir soeben betrachtet haben. Manchmal werden Personen mit verschiedenen Verwandtschaftsgraden mit einem gemeinsamen Begriff zusammengefasst, der die Mehrheit beschreibt, und alle erklärenden Worte, auch solche, die für das Verständnis wesentlich zu sein scheinen, sind rigoros weggelassen und das Füllen dieser Lücken muss durch ein zusätzliches Wissen des Lesers erfolgen. Infolgedessen sind mehrere Abschnitte in den Geschlechtsregistern der Chronik nun hoffnungslos unverständlich geworden. Möglicherweise waren sie für Zeitgenossen verständlich genug, aber für diejenigen, die keine zusätzlichen Informationsquellen besitzen, fehlt der Schlüssel zu ihrer Erklärung. In anderen Fällen können wir sie verstehen, weil die Angaben, die erforderlich sind, um sie verständlich zu machen, von biblischen Parallelstellen geliefert werden. Dementsprechend enthalten die ersten Verse der Chronik folgende nüchterne Liste von Namen, ohne ein erklärendes Wort: »Adam, Set, Enosch, Kenan, Mahalalel, Jered, Henoch, Metuschelach, Lamech, Noah, Sem, Ham und Jafet«. Wir erfahren nicht, wer diese Personen sind, wie sie miteinander verwandt waren oder ob sie überhaupt verwandt waren. Der Schriftsteller setzt voraus, dass seinen Lesern das Erste Buch Mose vorliegt und dass die bloße Erwähnung dieser Namen in ihrer Reihenfolge ausreichen wird, um sie daran zu erinnern, dass die ersten zehn Namen die Abstammungslinie vom Vater zum Sohn wiedergibt, und zwar vom ersten bis zum zweiten großen Stammvater der Menschheit, und dass die letzten drei Brüder sind, obwohl nichts gesagt wird, das andeuten würde, dass ihre Beziehung sich von den vorhergehenden unterscheidet.

In ähnlicher Weise wird auch über die Familie des Eliphas, des Sohnes Esaus, in 1. Chronik 1,36 wie folgt gesprochen: »Die Söhne des Elifas: Teman und Omar, Zefo und Gatam, Kenas und Timna und Amalek.« Wenn wir uns nun 1. Mose 36,11-12 zuwenden, sehen wir, dass die ersten fünf Namen die der Söhne des Eliphas sind und der sechste der seiner Konkubine, die die Mutter des siebten war.5 Das steht in 1. Mose so deutlich geschrieben, dass der Autor der Chronik-Bücher, selbst wenn er ein unverbesserlicher Schussel gewesen wäre, es nicht hätte missverstehen können. Aber im Vertrauen darauf, dass seine Leser die Auslassung durch ihre eigene Kenntnis ergänzen können, lässt er die Erklärung bezüglich der Konkubine des Eliphas weg und verbindet gleichzeitig ihren Name und den ihres Sohnes mit der Familie, zu der sie gehören, und das, obwohl er angeblich eine Aussage über die Söhne des Eliphas macht.

Gleiches findet man im Stammbaum von Samuel, der in 1. Chronik 6 sowohl in aufsteigender als auch in absteigender Abfolge gegeben wird. So steht in den Versen 7-9: »Die Söhne Kehats: dessen Sohn Amminadab, dessen Sohn Korach, dessen Sohn Assir, dessen Sohn Elkana und dessen Sohn Abiasaf und dessen Sohn Assir, dessen Sohn Tahat« usw. Der Gestalter dieser Liste schließt hier einen Kompromiss zwischen Vollständigkeit und Straffheit, was niemand vermuten würde, sofern er nicht aus anderen Quellen informiert wurde. Während die allgemein übliche Regel die ist, dass die Abstammung vom Vater zum Sohn angegeben wird, sind Assir, Elkana und Abiasaf allerdings Brüder. Das zeigt ein Vergleich mit 2. Mose 6,24 und dem parallelen Geschlechtsregister, 1. Chronik 6,22-23.6 Daher ist die wahre Abstammungslinie folgende:

1.Chr 6,7-9 1.Chr 6,22-23
Kehat Kehat
Amminadab Jizhar
Korach Korach
Assir, Elkana, Abiasaf Abiasaf
Assir Assir
Tahat Tahat usw.

Die Tatsache, dass der Sohn Kehaths in einer Liste Amminadab und in der anderen Jizhar genannt wird, stellt keinen wirklichen Widerspruch dar und kann keine Verlegenheit erzeugen, da es nicht ungewöhnlich ist, dass die gleiche Person zwei Namen besitzt. Das beweisen Abram und Abraham, Jakob und Israel, Joseph und Zafenat-Paneach (1.Mo 41,45); Hoschea, Jehosua oder Josua (4.Mo 13,16) und Jeschua (Neh 8,17)7; Gideon und Jerubbaal (Ri 6,32); Salomo und Jedidja (2. Sam 12,2); Asarja und Usija (2. Kön 15,1.13); Daniel und Beltschazar; Hananja, Mischael, Asarja und Schadrach, Meschach, Abed-Nego (Dan 1,7); Saulus und Paulus; Thomas und Zwilling (griech. Didymus); Kephas und Petrus; und in der profanen Geschichte Kyaxares und Darius, Oktavian und Augustus, Napoleon und Bonaparte, Feretti und Pius IX.

Das Geschlechtsregister von Mose und Aaron

Das Geschlechtsregister von Mose und Aaron wird im sechsten Kapitel von 2. Mose so angegeben:

»Und dies sind die Namen der Söhne Levis nach ihrer Generationenfolge: Gerschon, Kehat und Merari; und die Lebensjahre Levis [betrugen] 137 Jahre. Die Söhne Gerschons … Und die Söhne Kehats: Amram, Jizhar, Hebron und Usiel; und die Lebensjahre Kehats [betrugen] 133 Jahre. Und die Söhne Meraris … Und Amram nahm sich Jochebed, die Schwester seines Vaters, zur Frau; die gebar ihm Aaron und Mose; und die Lebensjahre Amrams [betrugen] 137 Jahre. Die Söhne Jizhars … und die Söhne Usiels …« (Verse 16-22)

Es gibt reichlich Beweise dafür, dass dieses Geschlechtsregister durch das Weglassen von einigen der weniger wichtigen Namen komprimiert wurde, wie wir es bereits bei so vielen anderen Geschlechtsregistern gesehen haben. Das wird in erster Linie durch parallele Geschlechtsregister der gleichen Zeit deutlich; wie das von Bezalel (1.Chr 2,1-5.18-20), das sieben Generationen nach Jakob aufzeichnet; und das von Josua (1.Chr. 7,23-27), das elf verzeichnet. Nun ist es kaum vorstellbar, dass es elf Glieder in der Abstammungslinie von Jakob zu Josua gibt und nur vier von Jakob zu Mose.

Ein noch überzeugenderer Beweis ergibt sich aus 4. Mose 3,19.27-28, wo ersichtlich ist, dass aus den vier Kindern Kehats jeweils die vier Familien der Amramiter, der Jizhariter, der Hebroniter und der Usieliter entstanden, und dass die Zahl der männlichen Mitglieder der Familien, die älter als ein Monat waren, bereits ein Jahr nach dem Exodus 8600 betrug. Damit hatte, wenn das Geschlechtsregister nicht gekürzt wurde, der Großvater von Mose zu dessen Lebzeiten allein 8600 männliche Nachkommen, von denen 2750 im Alter zwischen dreißig und fünfzig Jahren waren (4.Mo 4,36). Ein weiterer, ebenso überzeugender Beweis ergibt sich aus der Tatsache, dass Levis Sohn Kehat vor der Ausreise nach Ägypten geboren wurde (1.Mo 46,11) und der Aufenthalt der Kinder Israels in Ägypten 430 Jahre dauerte (2.Mo 12,40-41). Da Mose beim Auszug aus Ägypten achtzig Jahre alt war (2.Mo 7,7), muss er mehr als 350 Jahre nach Kehat geboren worden sein, der folglich auch nicht sein Großvater gewesen sein konnte.

Dieses Geschlechtsregister, dessen Kürzung so eindeutig belegt ist, ist für die unmittelbare Absicht dieses Artikels von besonderer Bedeutung, weil es auf den ersten Blick so scheinen könnte, dass eine solche Annahme im vorliegenden Fall ausgeschlossen wäre und dass die Schrift uns buchstäblich zu dem unvermeidlichen Schluss zwingen würde, dass es von Jakob bis Mose vier Glieder gab und nicht mehr. Die Namen, die ohne Abweichung in allen Geschlechtsregistern gefunden werden, sind Jakob, Levi, Kehat, Amram und Mose (2.Mo 6,16-20; 4.Mo 3,17-19; 26,57-59; 1.Chr 5,27-29; 6,1-3; 23,6.12-13). Nun war Levi ohne Frage Jakobs eigener Sohn. Ebenso war Kehat der Sohn Levis (1.Mo 46,11) und wurde vor der Ausreise nach Ägypten geboren. Amram war ebenfalls der unmittelbare Nachkomme Kehats. Es scheint nicht möglich, wie Kurtz vorgeschlagen hat, die fehlenden Glieder zwischen ihnen einzufügen. Denn auf der einen Seite war nach 4. Mose 26,59 »der Name der Frau des Amram … Jochebed, eine Tochter Levis, die sie dem Levi in Ägypten gebar«, und andererseits war diese Jochebed Amrams Tante oder die Schwester seines Vaters (2.Mo 6,20). Nun stimmt es zwar, dass »eine Tochter Levis« die allgemeine Bedeutung von ein Nachkomme Levis haben kann, wie die Frau, die von unserem Herrn geheilt wurde, als »eine Tochter Abrahams« bezeichnet wird (Lk 13,16), und die Feststellung, dass sie dem Levi geboren wurde, könnte einfach bedeuten, dass sie entfernt von ihm abstammt (vgl. 1.Mo 46,25). Aber diese Ausdrücke müssen in diesem Zusammenhang hier zwingend in einem wörtlichen Sinn verstanden werden und dementsprechend muss Jochebed Levis eigene Tochter und die Schwester Kehats gewesen sein, der Amrams Vater gewesen sein muss. Dies geht aus einem zweiten Hinweis hervor, dass nämlich Amram der Vater einer der Unterabteilungen der Kehatiter war (4.Mo 3,27), wobei diese Unterteilungen von den eigenen Kindern Kehats herrührten und zusammen 8600 männliche Nachkommen umfassten. Moses Vater kann sicherlich nicht zu Moses Lebzeiten bereits der Vorfahre eines Viertels dieser Männer gewesen sein. Um diese Schwierigkeit zu vermeiden, nehmen Thiele und Keil an, dass es zwei Amrams gab, zum einen den Sohn Kehats, zum anderen den Vater Moses, der ein entfernterer Nachkomme war, aber den gleichen Namen trug wie sein Vorfahre. Dies löst die Schwierigkeit bezüglich der Amramiten in 4.Mo 3,27, aber immer noch nicht diejenige, die sich daraus ergibt, dass man Jochebed zur Mutter von Mose macht. Und außerdem ist die Struktur des Geschlechtsregisters in 2. Mose 6 derart, dass diese Hypothese unnatürlich und unwahrscheinlich erscheint. In Vers 16 werden die drei Söhne Levis, Gerschon, Kehat und Merari, genannt, in den Versen 17-19 die Söhne eines jeden in der selben Reihenfolge; in den Versen 20-22 werden die Kinder von Kehats Söhnen aufgezählt; die Verse 23-24 enthalten die Nachkommen der nächsten Generation und der Vers 25 die darauf folgende Generation. Gemäß der Ansicht von Thiele und Keil müssen wir nun entweder annehmen, dass Amram, Jizhar und Usiel in den Versen 20-22 nicht die gleichen sind wie Amram, Jizhar und Usiel von Vers 18 oder aber dass Amram, obwohl er einer späteren Generation als Jizhar und Usiel angehört, vor diesen genannt wird, was die übliche Struktur eines Geschlechtsregisters natürlich verbietet; und außerdem waren die Söhne Jizhars und die Söhne Usiels, die hier genannt werden, Zeitgenossen von Mose und Aaron, den Söhnen Amrams (4.Mo 16,1; 3.Mo 10,4).

Das Problem kann jedoch durch die Annahme, dass Amram und Jochebed nicht die unmittelbaren Eltern, sondern entferntere Vorfahren von Aaron und Mose waren, aufgelöst werden. Wie viele Generationen dazwischen gelebt haben könnten, ist nicht auszumachen. Es heißt zwar tatsächlich, dass Jochebed Mose und Aaron dem Amram gebar (2.Mo 6.20; 4.Mo 26,59). Aber in der Sprache der Geschlechtsregister bedeutet dies einfach, dass sie von ihr und von Amram abstammten. Deshalb fügt der Schreiber in 1. Mose 46,18 nach der Aufzeichnung der Söhne, Enkel und Urenkel Silpas hinzu: »Das sind die Söhne der Silpa … und sie gebar diese dem Jakob, sechzehn Seelen.« Das Gleiche wiederholt sich im Fall von Bilha (Vers 25): »gebar diese dem Jakob, insgesamt sieben Seelen« (vgl. auch VV. 15.22). Hieraus geht klar hervor, dass der Autor dieses Geschlechtsregisters die Begriffe so verwendet, dass sie sich auf Nachkommen über die erste Generation hinaus beziehen. In ähnlicher Weise zeugte Josia, nach Matthäus 1,11, seinen Enkel Jojachin, und nach Vers 8 zeugte Joram seinen Ur-Ur-Enkel Usia. Und in 1. Mose 10,15-18 wird von Kanaan, dem Enkel Noahs, gesagt, dass er mehrere ganze Nationen gezeugt haben soll, den Jebusiter, den Amoriter, den Girgaschiter, Hewiter etc. (vgl. auch 1.Mo 25,23; 5.Mo 4,25; 2. Kön 20,18; Jes 2,2). Nichts kann also klarer sein als das, dass im biblischen Sprachgebrauch »gebären« und »zeugen« in einem weiteren Sinn verwendet wird, um Abstammung anzudeuten, ohne eine Beschränkung auf die unmittelbaren Nachkommen.8

Die Tatsache, dass in 3.Mo 10,4 Usiel, Amrams Bruder, »Aarons Onkel« heißt, ist kein ernsthaftes Gegenargument gegen diese Auffassung. Das hebräische Wort, das hier mit »Onkel« übersetzt wird, besitzt, obwohl es oft gezielt für einen bestimmten Verwandtschaftsgrad benutzt wird, sowohl von der Etymologie als auch dem Gebrauch her eine viel weitere Bedeutung. Ein Ur-Ur-Großonkel ist immer noch ein Onkel, und würde durch den hier verwendeten Begriff korrekt beschrieben werden.

Man kann auch beobachten, dass in der eigentlichen Geschichte von Moses Geburt seine Eltern nicht Amram und Jochebed genannt werden. Stattdessen wird im Text einfach gesagt: »Und ein Mann vom Haus Levi ging hin und nahm eine Tochter Levis [zur Frau]« (2.Mo. 2,1).

Die Geschlechtsregister von 1. Mose 5 und 11

Nach diesen Vorbemerkungen, die ursprünglich für einen anderen Zweck erstellt wurden, komme ich nun zu der eigentlichen Absicht dieses Artikels, nämlich der Frage, ob die Geschlechtsregister von 1. Mose 5 und 11 notwendigerweise als vollständige Abstammungslinien aufzufassen sind, die alle Glieder der Abstammungslinie von Adam bis Noah und von Sem bis Abraham umfassen. Die Analogie zu den übrigen biblischen Geschlechtsregistern spricht entschieden gegen eine solche Annahme. In zahlreichen anderen Fällen gibt es unwiderlegbare Beweise für mehr oder weniger starke Kürzungen – auch an Stellen, wo verschiedene Umstände zunächst einen anderen Eindruck erwecken. Dennoch haben wir gesehen, dass dieser erste Eindruck durch eine genauere Untersuchung und einen Vergleich mit weiteren Angaben sich als falsch erweisen kann. Das Ergebnis unserer bisherigen Untersuchungen genügt, um zu zeigen, dass es gewagt ist, anzunehmen, dass jedes biblische Geschlechtsregister grundsätzlich ohne Auslassungen angegeben sei, es sei denn, es kann einigen äußeren Prüfungen unterzogen werden, die entsprechendes bestätigen. Und es ist festzustellen, dass die alttestamentlichen Schriften keine weiteren Angaben zu den Zeiträumen enthalten, die durch die im folgenden zu betrachtenden Geschlechtsregister abgedeckt werden. Die Schöpfung, die Sintflut, die Berufung Abrahams sind bedeutsame Ereignisse, die in der biblischen Urgeschichte einmalig sind. Einige Geschehnisse aus dem Leben des ersten Elternpaares und seiner Söhne Kain und Abel sind zwar aufgezeichnet. Danach herrscht aber quasi ein großes Schweigen bis zur Sintflut, und es gibt nichts, was die Lücke füllt, und nichts, was auf die Länge des Zeitintervalls, das dazwischen liegt, hinweist, außer dem, was man in dem Geschlechtsregister findet, das sich zwischen diesen beiden Punkten erstreckt. Und die Situation von der Flut bis zu Abraham ist im Wesentlichen die gleiche. Nicht nur, dass wir über diesen Zeitraum keine adäquaten biblischen Aufzeichnungen besitzen, es gibt überhaupt keine weiteren Informationen, die mit diesen Geschlechtsregistern verglichen werden könnten, um ihre Kontinuität und Vollständigkeit zu prüfen.

Wenn daher irgendwelche wirklich vertrauenswürdigen Daten aus irgendeiner Quelle gewonnen werden können – sei es aus den Naturwissenschaften oder der Altertumsforschung –, die mit den Geschlechtsregistern abgeglichen werden können, um die Frage zu entscheiden, ob jedes Glied in der Abstammungskette aufgezeichnet wurde oder ob, wie in anderen offensichtlichen Fällen, Generationen weggelassen wurden, sollten diese Daten begrüßt und ein Vergleich ohne Furcht vorgenommen werden. Die Wissenschaft würde in diesem Fall einfach die Funktion übernehmen, die bei den weiter oben untersuchten Geschlechtsregistern das Sammeln ergänzender Informationen aus anderen Abschnitten der Bibel hatte.

Es mag hier hilfreich sein, zu erwähnen, dass eine Einzelheit aus 1. Mose 5 im Vergleich mit der biblischen Urgeschichte des Menschen zeigt, dass äußerste Vorsicht geboten ist, bevor man behauptet, dass das Geschlechtsregister in 1. Mose 5 absolut vollständig sei. Diese Abstammungsfolge könnte uns, wenn man nur sie hätte, zu der selbstverständlichen Schlussfolgerung führen, dass Set Adams erstes Kind war. Aber aus Kapitel 4 wissen wir, dass er bereits zwei Söhne hatte, Kain und Abel, und aus 4,17, dass er eine Tochter gehabt haben muss, und aus 4,14, dass er wohl bereits etliche Söhne und Töchter hatte, deren Familien vor Adams 130. Lebensjahr, in dem Set geboren wurde, zu einer beträchtlichen Zahl angewachsen waren. Doch von all dem ist anhand des Geschlechtsregisters nicht das geringste zu erahnen.

In der Bibel werden die Geschlechtsregister nicht aufsummiert

Aber gibt es in der Konstruktion dieser Geschlechtsregister nicht eine Besonderheit, die es verbietet, eine Schlussfolgerung auf sie anzuwenden, die aus Geschlechtsregistern abgeleitet wurde, die anders aufgebaut sind? Die Tatsache, dass es von jedem Glied der Folge heißt, dass es das nächstfolgende gezeugt habe, ist zwar in Anbetracht der breiten Verwendung dieses Begriffes, die wir in anderen Fällen gefunden haben, kein Beweis an sich, dass nicht Glieder ausgelassen worden sind. Aber zwingen uns nicht die in diesen Geschlechtsregistern eingefügten chronologischen Angaben, sie als notwendigerweise kontinuierlich zu betrachten? Warum sollte der Autor in jedem einzelnen Fall so gewissenhaft mit unermüdlicher Regelmäßigkeit das Alter des Patriarchen bei der Geburt seines Sohnes angeben, wenn es nicht seine Absicht war, dadurch eine Chronologie dieses gesamten Zeitraums zu erstellen und seinen Lesern damit die erforderlichen Informationen zur Berechnung des Zeitintervalls von der Schöpfung bis zur Sintflut und von der Sintflut bis zu Abraham zu bieten? Und wenn das tatsächlich seine Absicht war, musste er natürlich bemüht sein, seine Liste vollständig zu machen. Die Auslassung auch nur eines einzigen Namens würde zu einem Fehler führen.

Aber sind wir wirklich zu der Annahme berechtigt, dass der Verfasser der Geschlechtsregister ein solches Ziel verfolgte? Auffallend ist die Tatsache, dass er sie nie selbst dazu verwendet. Nirgendwo addiert er selbst die Alter noch empfiehlt er ihre Summation. Es wird keine chronologische Aussage von diesen Geschlechtsregistern abgeleitet, weder vom Autor noch von einem der anderen inspirierten Schreiber. Es gibt nirgendwo in der Bibel eine Berechnung der Zeitdauer, die seit der Schöpfung oder der Sintflut vergangen ist, wie das durchaus für die Dauer des Aufenthalts in Ägypten bis zum Exodus (2.Mo 12,40) oder vom Exodus bis zum Bau des Tempels (1. Kön 6,1) der Fall ist. Und wenn die Alter in diesen Geschlechtsregistern mit dem Ziel der Erstellung einer Chronologie angegeben wären, warum sind dann Jahresangaben eingefügt, die in keinerlei Beziehung zu diesem Zweck stehen? Warum wird uns mitgeteilt, wie lange jeder Patriarch nach der Geburt seines Sohnes lebte und wie lang seine gesamte Lebenszeit war? Diese Jahreszahlen werden mit der gleichen Regelmäßigkeit angegeben wie das Alter eines jeden bei der Geburt seines Sohnes, und sie sind für die Erstellung einer Chronologie der damaligen Zeit völlig nutzlos. Sie gewähren uns lediglich eine Übersicht über die individuellen Lebensläufe. Und zweifellos sind sie nur aus diesem Grund aufgezeichnet. Sie zeigen in diesen ausgewählten Beispielen die ursprüngliche Dauer des menschlichen Lebens. Sie zeigen, wie es in dem Zeitalter vor der Sintflut war. Sie zeigen, wie die Lebensdauer danach allmählich abnahm. Aber dafür war es nicht annähernd notwendig, dass jeder Einzelne in der Linie von Adam bis zu Noah und von Noah bis zu Abraham genannt wurde. Eine Reihe exemplarischer Lebensläufe, mit den entsprechenden Zahlen versehen, war alles, was erforderlich war. Und, so wie es scheint, ist das alles, was uns gegeben ist. Und wenn dies der Fall ist, ist die Idee, eine chronologische Berechnung auf diese Geschlechtsregister zu stützen, ein fundamentaler Fehler. Man benutzt sie zu einem Zweck, zu dem sie nicht angelegt waren und zu dem sie aufgrund der Art ihrer Konstruktion nicht geeignet sind. Wenn zum Beispiel gesagt wird: »Enosch lebte 90 Jahre und zeugte Kenan«, so kann diese Aussage – wegen des gängigen Gebrauchs des Wortes »zeugte« – bedeuten, dass Kenan selbst geboren wurde, als Enosch 90 Jahre alt war, oder dass dann jemand geboren wurde, von dem Kenan später abstammte. Aus diesen Geschlechtsregistern kann daher zwar die minimale Zeitspanne ermittelt werden, die von ihnen abgedeckt wird, aber aus ihnen können natürlich keine Angaben über die Zeiten abgeleitet werden, die sich zusammen mit den Namen ergeben würden, die der Autor ausgelassen hat, weil sie für seine spezielle Absicht mit dem Text nicht erforderlich waren.

Analog zu Moses Geschlechtsregister

Der Aufenthalt der Kinder Israels in Ägypten bietet für unseren Zweck hier die beste biblische Parallele zu den Zeiträumen, die wir als nächstes betrachten wollen. Der größere Teil dieses Zeitraums von 430 Jahren bleibt in der heiligen Geschichte unerwähnt. Ein paar Ereignisse am Anfang werden genannt, die mit dem Auszug Jakobs und seiner Familie nach Ägypten und ihrer Ansiedlung dort verbunden sind. Und am Ende dieser Zeit ist die Rede von einigen Begebenheiten im Leben Moses und von Ereignissen, die zum Exodus, d. h. dem Auszug aus Ägypten, führten.

Aber abgesehen davon wird über diesen langen Zeitraum nicht berichtet. Das Intervall wird nur durch ein Geschlechtsregister überbrückt, das sich von Levi zu Mose und Aaron erstreckt und zu den Zeitgenossen, die zu ihren unmittelbaren Verwandten gehörten (2.Mo 6,16-26). Dieses Geschlechtsregister verzeichnet die Lebenslängen der Männer in der Hauptabstammungslinie: Levi (V. 16), Kehat (Vers 18), Amram (Vers 20). Die Übereinstimmung mit den Geschlechtsregistern von 1. Mose 5 und 11 in den oben angedeuteten Punkten und den Zeiträumen, die sie abdecken, ist sicherlich bemerkenswert. Und da sie aus der gleichen Feder stammen, ist es nur naheliegend, aus ihrem ähnlichen Aufbau auf ein grundsätzliches Designmerkmal zu schließen. Es wurde bereits gezeigt, dass das Geschlechtsregister von Levi bis Mose nicht alle Glieder dieser Abstammungslinie beinhalten kann und dass es daher nicht dazu bestimmt gewesen sein kann, als Grundlage für chronologische Berechnungen zu dienen. Dies wird durch die ausdrückliche Erklärung in 2.Mo 12,40 nun endgültig klar9 und folgt zwangsläufig aus der Tatsache, dass die Lebensalter in diesem Geschlechtsregister wohl die Langlebigkeit der genannten Patriarchen zeigen, aber addiert nicht den gesamten Zeitraum der 430 Jahre in Ägypten ergeben. Damit liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Lebensalter in den anderen Geschlechtsregistern, mit denen wir uns jetzt befassen wollen, mit einer ähnlichen Absicht mitgeteilt wurden und nicht zu dem Zweck, den Leser in die Lage zu versetzen, eine Chronologie zu konstruieren.

Die Archäologie spricht gegen die Vollständigkeit der Geschlechtsregister

Insofern man von der Zivilisation Ägyptens, ihrer Denkmäler und Aufzeichnungen, ableiten kann, dass der Zeitraum zwischen der Sintflut und der Berufung Abrahams größer gewesen sein muss als das, was das Geschlechtsregister von 1. Mose 11 berechnen lässt, so widerlegt diese Tatsache gleichermaßen die Annahme, dass das Geschlechtsregister dazu bestimmt war, die Grundlage einer chronologischen Berechnung zu liefern. Unbeachtet der göttlichen Inspiration konnte Mose in dieser Beziehung keine Fehler gemacht haben. Wurde er doch am Hof des Pharao aufgezogen und in aller Weisheit der Ägypter unterrichtet, wovon die durch ihn gegebene Gesetzgebung sowie die Tafel der Nationen in 1. Mose 10, die bei Ethnologen zugleich Bewunderung und Verzweiflung hervorruft, einen unabhängigen Beweis liefert. Er lebte in der ruhmreichen Epoche der großen ägyptischen Monarchie. Deren Denkmäler waren damals unversehrt und vollständig erhalten. Sie hatten noch keine der irreparablen Schäden erlitten, die die Zeit und rücksichtslose Barbarei seitdem verursacht haben. Die heutzutage vorliegenden fragmentarischen Aufzeichnungen, die zahlreiche Lücken und hoffnungslose Unklarheiten aufweisen und die zu enträtseln und zu kombinieren Gelehrte jetzt bemüht sind, waren damals unversehrt und wurden natürlich gut verstanden. Ägyptens Anspruch auf eine lange Geschichte war Mose weit besser bekannt, und er war in der Lage, ein viel besseres Verständnis davon zu erlangen, als uns dies heute möglich ist; denn er hatte umfangreiche Materialien zur Hand, von denen nur ein spärlicher und ungeordneter Rest bis heute überdauert hat. Wenn also Ägyptens Altertum der vorliegenden biblischen Chronologie widerspricht, zeigt das einfach nur, dass diese biblische Chronologie auf einer unbegründeten Annahme basiert. Sie beruht auf einer grundsätzlich falschen Interpretation der vor-abrahamitischen Geschlechtsregister und ordnet ihr eine Bedeutung zu, die Mose nie beabsichtigt haben konnte.

Wie allgemein bekannt ist, weichen die Texte der Septuaginta und des samaritanischen Pentateuch systematisch vom Hebräischen ab, und zwar in beiden Geschlechtsregistern von 1. Mose 5 und 11. Nach den Chronologien, die sich aus diesen Texten ergeben, betrug die Zeitspanne zwischen der Sintflut und der Geburt Abrahams 292 Jahre (hebräischer Pentateuch), 942 Jahre (samaritanischer Pentateuch) bzw. 1172 Jahre (Septuaginta). Einige haben aufgrund dieser Sachlage die Chronologie der Septuaginta übernommen, da diese hier die notwendige Unterstützung bietet. Aber die überragende Genauigkeit des hebräischen Textes sowohl in diesem Fall als auch im Allgemeinen an anderen Stellen ist unbestreitbar. Die Hilfe durch die Septuaginta ist nur ein geknicktes Rohr. Man kann sich leicht vorstellen – und dies haben auch einige vorgebracht –, dass die Veränderungen von den Übersetzern der Septuaginta oder späteren Abschreibern vorgenommen wurden, um die mosaische Erzählung an die anerkannte antike Geschichte Ägyptens anzupassen. Und wenn dem so ist, ist es nur eine weitere Bestätigung des bereits vorgetragenen Arguments, dass Mose das vor-abrahamitische Geschlechtsregister nicht dazu gedacht hat, als Grundlage für chronologische Berechnungen verwendet zu werden. Er wusste genauso viel über das Alter Ägyptens wie die Übersetzer der Septuaginta oder irgendjemand sonst zu ihrer Zeit. Und wenn ein so kurzer Zeitraum, wie ihn dieses Geschlechtsregister ergibt, ihrem Urteil nach so unakzeptabel war, dass sie sich gezwungen sahen, ihn durch die Hinzufügung von fast neun Jahrhunderten zu vergrößern, ist dann nicht klar, dass Mose niemals beabsichtigt haben konnte, dass das Geschlechtsregister auf eine solche Weise interpretiert werden sollte?

Darüber hinaus scheint es mir einer Überlegung wert, ob die ursprüngliche Absicht, mit der diese textlichen Änderungen vorgenommen wurden, überhaupt die Ausdehnung der Chronologie war. Das Prinzip, nach dem die Änderungen offensichtlich einheitlich ausgeführt wurden, legt eher nahe, dass eine stärker symmetrische Einteilung der individuellen Lebensläufe die Motivation war, statt den gesamten Zeitraum nur zu verlängern. Die Auswirkungen dieser Textänderungen auf die Chronologie dürften daher eher beiläufig statt vorsätzlich geschehen sein.

So variieren im hebräischen Text von 1. Mose 5 die Alter der verschiedenen Patriarchen bei der Geburt eines namentlich genannten Sohnes ziemlich unregelmäßig von 65 bis 187. Und tatsächlich trachten die anderen oben genannten Übersetzungen danach, die Alter in engere Übereinstimmung zu bringen und so etwas wie eine regelmäßige Abstufung einzuführen. Die Septuaginta geht davon aus, dass derart langlebige Patriarchen bei der Geburt ihres Sohnes fast zwei Jahrhunderte alt sein sollten. Wenn ihre Alter daher im hebräischen Text zu weit unter diese Messlatte fallen, werden in dieser Übersetzung 100 Jahre zu dem Alter vor der Geburt des Sohnes hinzugefügt und gleichfalls 100 Jahre von der Lebenszeit nach der Sohnesgeburt abgezogen; die gesamte Lebenslänge bleibt somit unverändert, allein die Verhältnisse der beiden Lebensabschnitte werden korrigiert. Auf der anderen Seite geht der samaritanische Pentateuch von einer allmählichen Abnahme der Alter aufeinanderfolgender Patriarchen bei der Geburt ihres Sohnes aus. Abgesehen von den ersten beiden war zu dem Zeitpunkt keiner älter als ein Jahrhundert. Wenn im hebräischen Text das Alter 100 übersteigt, werden davon im samaritanischen Text einfach hundert Jahre abgezogen und der gleiche Betrag zu der Lebenszeit nach der Geburt des Sohnes hinzugefügt. Im Falle Lamechs wird noch mehr abgezogen, um die gewollte Verminderung zu erreichen. Die nachstehende Tabelle zeigt die Lebensalter, die den verschiedenen vorsintflutlichen Patriarchen bei der Geburt ihrer Söhne in diesen verschiedenen Texten zugeordnet werden.

Ein einfacher Blick auf diese Zahlen genügt, um zu zeigen, dass der hebräische Pentateuch das Original ist, von dem die anderen nach der einen oder anderen Seite hin abweichen – gemäß des Prinzips, das sie verfolgen. Es drängt sich dabei auch stark der Verdacht auf, dass die Absicht der Veränderungen gerade darin bestand, die Lebensabschnitte ebenmäßiger erscheinen zu lassen – nicht darin, die Chronologie anzupassen.

Name Hebräisch Septuaginta Samaritanisch
Adam 130 230 130
Set 105 205 105
Enosch 90 190 90
Kenan 70 170 70
Mahalalel 65 165 65
Jered 162 162 62
Henoch 65 165 65
Metuschelach 187 167 (187)10 67
Lamech 182 188 53
Noah 600 600 600
Symmetrie der Geschlechtsregister

Die Struktur der Geschlechtsregister in 1. Mose 5 und 11 spricht auch für die Auffassung, dass nicht alle Namen in den jeweiligen Abstammungslinien verzeichnet sind. Ihre Regelhaftigkeit scheint auf ganz gezielte Gestaltung hinzuweisen.

Jedes Geschlechtsregister umfasst zehn Namen. Noah war der zehnte nach Adam, und Terach der zehnte nach Noah. Und jedes endet mit einem Vater, der drei Söhne hat, wie es auch bei dem Geschlechtsregister Kains der Fall ist (4,17-22). Das Geschlechtsregister Sets (Kapitel 5) kommt im siebten Glied zu einem Höhepunkt – bei Henoch, der »mit Gott [wandelte]; und er war nicht mehr da, denn Gott nahm ihn hinweg.« Das Geschlechtsregister Kains besitzt ebenfalls im siebten Glied einen Höhepunkt: Lamech, der durch seine Vielweiberei, blutige Rache und prahlerische Arroganz auffällt. Das Geschlechtsregister, das von Sem ausgeht, teilt sich bei seinem fünften Glied, Peleg, in zwei gleiche Hälften. Von ihm heißt es: »denn in seinen Tagen wurde das Land geteilt«. Da auch das gekürzte Geschlechtsregister in Matthäus 1 aus drei Abschnitten von je vierzehn Generationen erreicht wird, indem auf einige Generationen verzichtet wird, so scheint es äußerst wahrscheinlich, dass die Symmetrie der soeben betrachteten urzeitlichen Geschlechtsregister auch eher künstlich denn natürlich ist. Es ist viel wahrscheinlicher, dass eine bestimmte Anzahl von Namen, die in das regelhafte Schema passen, ausgewählt und für ausreichend befunden wurden, um die Zeitabschnitte, der sie angehören, zu repräsentieren, als dass alle diese auffallenden zahlenmäßigen Übereinstimmungen zufällig in den aufeinander folgenden Abschnitten aufgetreten sind.

Es könnte noch hinzugefügt werden, dass, wenn das Geschlechtsregister in Kapitel 11 vollständig wäre, Peleg, der den Beginn eines neuen Zeitabschnitts markiert, bereits starb, als alle seine Vorfahren von Noah an noch lebten. Tatsächlich müssen Sem, Arpachschad, Schelach und Eber nicht nur allesamt Peleg überlebt haben, sondern ebenso alle folgenden Generationen bis einschließlich Terach. Der Gesamteindruck der Erzählung von Abrahams Zeit ist der, dass die Flut ein längst vergangenes Ereignis war und dass ihre Akteure bereits vor langer Zeit gestorben sind. Wenn man jedoch eine Chronologie aus diesem Geschlechtsregister konstruiert, war Noah noch achtundfünfzig Jahre lang ein Zeitgenosse Abrahams, und Sem überlebte ihn sogar um 35 Jahre, wenn man 1.Mo.11,26 wörtlich nimmt, wonach Abraham im siebzigsten Jahr Terachs geboren wurde. Diese Schlussfolgerung ist schier unglaublich. Eine Berechnung, die zu einem solchen Ergebnis führt, muss zwangsläufig auf einer falschen Annahme beruhen.

Aus diesen verschiedenen Gründen schließen wir, dass die Bibel keine Angaben liefert, die für chronologische Berechnungen vor der Zeit Abrahams geeignet wären, und wir schließen, dass die Bücher Mose weder ein genaues Datum für die Sintflut oder die Erschaffung der Welt liefern noch dass sie je dazu gedacht waren.

William Henry Green (1825-1900), Absolvent des Lafayette College und des Princeton Theological Seminary, verbrachte seine gesamte Professorenlaufbahn an der letztgenannten Institution, wo er von 1859 bis zu seinem Tod Professor für Orientalistik und Alttestamentliche Literatur war. Professor Green war 17 Jahre lang Präsident der Fakultät, lehnte aber die ihm angebotene Präsidentschaft der Princeton University ab. Er war Vorsitzender der Abteilung Altes Testament des Revisionsausschusses der American Bible. Er schrieb mehrere Bücher, darunter eine Grammatik der hebräischen Sprache (1861), ein Buch über die hebräischen Feste (1865), eine allgemeine Einführung in das Alte Testament (1898) sowie einige Bücher als Antwort auf die Pentateuchkritik.

(Übersetzung ins Deutsche: Kerstin und Mark Marzinzik)

Dieser Artikel kann in der deutschen Übersetzung auch als PDF-Datei heruntergeladen werden:
http://www.schoepfung-durch-evolution.de/media/Green-Chronologie.pdf

Fußnoten

  1. Erste Veröffentlichung in: Bibliotheca Sacra 47. (1890). S. 285-303. Das englische Original findet sich u. a. in Anhang 2 des Buches von Robert C. Newman, Perry G. Phillips und Herman J. Eckelmann, Jr.: Genesis One and the Origin of the Earth. Second Edition. 2007. S. 88-98.) Die Überschriften wurden von Newman, Phillips und Eckelmann ergänzt.
    Die Bibelzitate der deutschen Übersetzung werden nach der Elberfelder Bibelübersetzung 2006 (R. Brockhaus-Verlag) wiedergegeben. 

  2. W. H. Green: The Pentateuch Vindicated from the Aspersions of Bishop Colenso. (1863). S. 128f 

  3. Er wird in 1. Chronik 24,20 ein Sohn Amrams, des Vorfahren Moses, genannt. 

  4. Schubaël und Schebuël sind aller Wahrscheinlichkeit nach nur orthographische Varianten des gleichen Namens. 

  5. 1.Mo 36,11-12: Und die Söhne des Elifas waren: Teman, Omar, Zefo und Gatam und Kenas. Und Timna war eine Nebenfrau von Elifas, des Sohnes Esaus, die gebar dem Elifas Amalek. [Anmerkung der Übersetzer] 

  6. 2.Mo 6,24: Und die Söhne Korachs waren Assir, Elkana und Abiasaf; das sind die Sippen der Korachiter.
    1.Chr 6,22-23: des Sohnes Tahats, des Sohnes Assirs, des Sohnes Abiasafs, des Sohnes Korachs, des Sohnes Jizhars, des Sohnes Kehats, des Sohnes Levis, des Sohnes Israels. [Anmerkung der Übersetzer] 

  7. Im Grundtext steht dort ‚Yeshuwa', die KJV übersetzt ‚Jeshua', die RevElb macht die Namensvariation nicht deutlich und übersetzt ‚Josua'. [Anmerkung der Übersetzer] 

  8. In Ruth 4,17 wird über Ruths Kind gesagt: »ein Sohn ist der Noomi geboren«, wobei Noomi Ruths Schwiegermutter war und genau genommen nicht eine Vorfahrin des Kindes war [da der Sohn der Noomi verstorben war und der Vater des Kindes ein anderer Mann ist, Anm. der Übersetzer]. Serubbabel wird gewöhnlich als Sohn Schealtiels bezeichnet (Esr 3,2, Hag 1,1) und wird so in den Geschlechtsregistern sowohl von Matthäus (1,12) als auch Lukas (3,27) aufgenommen, obwohl er in Wirklichkeit sein Neffe war (1.Chr 3,17-19). Die Abstammung, die in den Geschlechtsregistern angegeben wird, entspricht nicht immer der tatsächlichen Abstammung, wie hier aus dem Vergleich der Vorfahren des Herrn, wie sie von Matthäus und Lukas angegeben werden, deutlich wird. 

  9. 2.Mo 12,40: Die Zeit des Aufenthaltes der Söhne Israel aber, die sie in Ägypten zugebracht hatten, betrug 430 Jahre [Anmerkung der Übersetzer] 

  10. Die Zahlen variieren in den verschiedenen Manuskripten.