Kann man eine Welt, in der Tod herrscht, als „gut“ bezeichnen?

Kerstin Marzinzik

Kann man eine Welt, in der Tod herrscht, als „gut“ bezeichnen? Das ist eine berechtigte Frage, denn in unseren Augen ist der Tod etwas Schreckliches und Schlechtes. Im Schöpfungsbericht 1.Mo 1 heißt es immer wieder, dass Gott sein Werk als „gut“ bezeichnet, am Ende sogar als „sehr gut“ (1.Mo 1,31). Passt das zusammen?

Zunächst bleibt festzuhalten, dass Werturteile wie „gut“ immer auch von der Zweckbestimmung und Funktion abhängen. Ein Hammer ist ein gutes Werkzeug, um einen Nagel in die Wand zu schlagen. Doch zum Öffnen einer Dose sollte man lieber einen Dosenöffner benutzten. Dazu ist der beste Hammer nicht gut tauglich.

Der Tod als Segen

In der Tierwelt ist der Tod eine sehr nützliche Angelegenheit. Denn (Raub-)Tiere töten (im Gegensatz zum Menschen) nicht die besten, sondern die schwächsten Tiere. Durch diese Selektion bleiben die stärksten und gesündesten Tiere am Leben und vermehren sich, was dazu beiträgt, dass die Population kräftig und fit bleibt. Und wenn sterbenskranke Tiere getötet werden, hat das den positiven Effekt, dass ihre Leidenszeit verkürzt wird.

Nicht nur in der Tierwelt ist der Tod nützlich, sondern auch für uns Menschen. Nach dem Sündenfall ist es geradezu ein Segen, dass der Mensch sterblich ist und nicht in seinem gefallenen Zustand ewig leben muss. Die folgenden Bibelverse sind nicht mehr Bestandteil der Strafrede Gottes; sie folgen erst, nachdem Gott den nackten Menschen Kleider gemacht hatte, was ja ebenfalls ein Zeichen seiner Fürsorge für die widerspenstigen, ungehorsamen Menschen ist:

1.Mo 3,22-24: Und Gott, der HERR, sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen Gutes und Böses. Und nun, dass er nicht etwa seine Hand ausstrecke und auch [noch] von dem Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe! Und Gott, der HERR, schickte ihn aus dem Garten Eden hinaus, den Erdboden zu bebauen, von dem er genommen war. Und er trieb den Menschen aus und ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim sich lagern und die Flamme des zuckenden Schwertes, den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen.

Nur dadurch hat jeder Mensch die Chance, das Rettungsangebot Jesu Christi anzunehmen und dadurch ein ewiges Leben zu erlangen, dass von viel besserer Qualität ist als das Leben auf dieser Erde!

Der größte durch den Tod bewirkte Segen ist allerdings der rettende und stellvertretende Tod Jesu Christi. Das wird am Ende des folgenden Abschnitts ausgeführt.

Gott hat noch andere Pläne

In der Bibel finden wir deutliche Aussagen, dass die jetzige Welt von Anfang an nicht als „endgültig“ konzipiert war. Vielleicht nur deshalb, weil Gott wusste, dass der Mensch in Sünde fallen würde. Aber Gott ging dieses „Risiko“ ein. Und er hatte schon vor „ewigen Zeiten“, vor Schaffung dieser Welt, Pläne für die Rettung der Menschen und eine neue Welt:

2.Tim 1,9: Der [Gott] hat uns gerettet und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach [seinem] eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben […]

Eph 3,10-11: […] damit jetzt den Gewalten und Mächten in der Himmelswelt durch die Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes zu erkennen gegeben werde, nach dem ewigen Vorsatz, den er verwirklicht hat in Christus Jesus, unserem Herrn.

Eph 1,4-5: […] wie er uns in ihm [Christus] auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe und uns vorherbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens, […]

Wir sind in Christus vor der Schöpfung dieser Welt zu einem heiligen und tadellosen Leben auserwählt (Eph 1,4-5), was gleichzeitig andeutet, dass es eben ohne Christus nicht geht (und Gott wusste, dass der Mensch vor dem Sündenfall dies „aus eigener Kraft“ nicht schaffen würde).

2.Pt 2,13: Wir erwarten aber nach seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.

Erst im neuen Himmel und der neuen Erde wird „Gerechtigkeit wohnen“ (2.Pt 3,13). Erst die kommende Welt wird auch in unseren Augen „sehr gut“ sein – ohne Tod, Trauer und Schmerzen (Off 21,1.4).

Die jetzige Welt ist in gewissem Sinne eine Vorstufe oder ein erster Schritt zu den eigentlichen Plänen Gottes. Und in diesen Plänen hat gerade der Tod eine wichtige Rolle. Gott schlägt den Satan mit seiner wichtigsten Waffe: dem Tod!

2.Tim 1,10: […] Christus Jesus, der den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium

Hebr 2,14: […] um durch den Tod den zunichte zu machen, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel […]

Gerade durch den Tod besiegte Jesus Christus den Satan, die Macht des Bösen und des Todes, und eröffnete den Menschen damit den Weg zum ewigen Leben, das nicht nur von unbegrenzter Länge, sondern auch von unbeschreiblich hoher Qualität ist:

Joh 3,15-16: […] damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe. Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.

Joh 10,9-11: [Jesus sprach:] Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, so wird er gerettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und [es in] Überfluss haben. Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.

Röm 8,32: Er [Gott], der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat — wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?

Schlussfolgerung

In der menschlichen Entwicklung gibt es verschiedene Stufen und ob ein Verhalten gut ist, hängt stark davon ab, wie weit diese Entwicklung bereits fortgeschritten ist. Als unser Sohn die ersten Löffel Brei selbst in den Mund befördert hat, waren wir begeistert. Wir haben uns gefreut, geklatscht und ihn gelobt. Das hatte er gut gemacht. Prima! Da war es egal, wie viel Brei neben dem Mund im Gesicht gelandet war. Aber wenn mit 10 Jahren nach dem Essen immer noch die halbe Mahlzeit im Gesicht klebt, ist das alles andere als gut oder prima.

Ähnlich kann Gottes Urteil über seine Schöpfung bewertet werden. Gott wusste, bevor die Welt erschaffen wurde, dass es danach noch einen neuen Himmel und eine neue Erde geben würde, in denen es alle „Entartungen“, die das Leben auf dieser Erde mühsam und leidvoll machen, nicht mehr geben würde. Die jetzige Welt ist ein erster vorbereitender Schritt zu dem besseren und bedingungslos Guten, das noch kommen wird.

In diesem Sinne ist es durchaus gerechtfertigt, eine Welt, die auch ihre Schattenseiten hat, schon als gut zu bezeichnen – nicht im Sinne von „absolut“ gut, sondern gut im Sinne von „dem momentanen Stand angemessen“, gut in Bezug auf das, „was gerade dran ist“ und wichtig für das, was noch kommen soll. Es ist ein Segen, dass die Menschheit gerade in ihrem jetzigen gefallenen Zustand sterblich ist und nicht in diesem Zustand ewig leben muss. Und letzten Endes haben wir es gerade dem Tod – nämlich dem Tod Jesu Christi – zu verdanken, dass alle, die an ihn glauben, in die neue Welt kommen werden!